Die verschiedenen Teilprojekte wurden mit finanzieller Unterstützung mehrerer Ministerien sowie aus Lottomitteln des Landes Brandenburg und durch das Seniorenpolitische Maßnahmepaket des Landes realisiert.
8. Brandenburger Aktionstag zum Wohnen im Alter 2020
Stadtentwicklung gegen Einsamkeit
Der 8. Wohntag fand am 07.September 2020 von 10.30 bis 16.00 Uhr statt, diesmal unter ungewöhnlichen Bedingungen. Durch die aktuelle Corona-Situation war die Platzzahl begrenzt und nicht alle Interessierten konnten dabei sein. In diesem Jahr war das große Tagungshaus der Heimvolkshochschule am Seddiner See als Veranstaltungsort gewählt worden, in dem 60 Teilnehmer*innen Platz finden können. Das Interesse war wesentlich größer, deshalb wurde kurzfristig auch eine Online-Übertragung des Vormittagsprogramms organisiert. Für die Kollegen der Heimvolkshochschule war das eine Premiere, die sie sehr gut gemeistert haben. Wie seit einigen Jahren wurde die Veranstaltung in Kooperation der Akademie 2 Lebenshälfte mit der Fachstelle für Altern und Pflege im Quartier durchgeführt und Dr. Ingrid Witzsche und Beate von Zahn als Vertreterinnen moderierten das Programm. Das Thema Einsamkeit bzw. mehr Gemeinschaft auch beim Wohnen zu schaffen hat alle bisherigen Wohntage berührt und bewegt viele Ältere. Ziel der Veranstaltung war deshalb, sich genauer damit auseinander zu setzen - was ist eigentlich Einsamkeit, wie entsteht sie, welche negativen Folgen hat sie und wer kann wie etwas tun, damit diese Probleme verringert oder vermieden werden können.
ABLAUF
Wohnen im Alter als Baustein für ein selbstbestimmtes Älterwerden
Nach der Eröffnung und der Einweisung in die Hygieneregeln vor Ort war es den Organisatorinnen eine besondere Freude, den neuen Seniorenbeauftragten der Landes Brandenburg Herrn Norman Asmus begrüßen zu können. Er stellte sich den Zuhörer*innen vor und erläuterte seine Ziele.
Ausgehend
von den hohen Erwartungen, die alle Akteure mit einem solchen neuen Beauftragten
verknüpfen, ist er überzeugt, nur im engen Kontakt mit den Seniorinnen und
Senioren auch vor Ort die Interessen der Älteren wirksam vertreten zu können und ist deshalb interessiert an direkten Kontakten.
Ihm geht es darum, gemeinsam Antworten auf die zunehmenden Erfordernisse
unserer älter werdenden Gesellschaft zu finden und damit die Seniorenpolitischen
Leitlinien des Landes mit Leben zu füllen. Im Fokus stehen dabei vor allem
- Mobilität im Flächenland
- Gesundheit/Pflege
- Lebenslanges Lernen/Digitalisierung
- Ehrenamt
- Wohnen im Alter
Ihm
selber liegen auch die Themen Altersarmut und Einsamkeit sehr am Herzen.
Deshalb hat er die Zielstellung der Veranstaltung begrüßt. Dabei hat
das Thema „Wohnen im Alter“ eine zentrale Bedeutung für die Senior*innen im Land, wie auch die
Ergebnisse des Seniorendialogs im Jahr 2017 gezeigt hatten. Viele Ältere leben
allein. In der damaligen Befragung waren es 43 Prozent, von denen 80 Prozent
Frauen waren. Allerdings – so stellte Herr Asmus klar - Alleinleben ist dabei
nicht gleichzusetzen mit Einsamkeit! Wann wird es als ungewollte soziale
Isolation empfunden? Das ist eine der Fragen, denen man genauer nachgehen muss.
Die Gründe dafür können vielschichtig sein.
Herr Asmus berichtete, dass eine seiner
ersten Handlungen die Ausschreibung einer Studie zur sozialen Lage Älterer im
Land Brandenburg war, die „Licht ins Dunkel“ bringen und eine weiterführende
Diskussion der Themen „Einsamkeit“, „Altersarmut“ , "Leben in Stadt und Land“ auf
sachlicher Grundlage ermöglichen soll. Die Ergebnisse sollen im ersten Halbjahr
2021 vorliegen und veröffentlicht werden.
Herr
Asmus hob auch hervor, dass sich mit dem Phänomen der Einsamkeit im Alter viele
Initiativen im Land bereits befassen, stellte einige Beispiele vor und
freute sich auf den Austausch im Rahmen des Wohntages.
Fakten und Trends zur Einsamkeit im Alter
Für den Fachvortrag zum Thema "Einsamkeit im Alter" war Frau Dr.
Tanja Kiziak von Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung der Einladung gefolgt und stellte Ergebnisse aus der Forschung vor.
Sehr übersichtlich und verständlich erläuterte sie Zusammenhänge und Trends zu Folgen der Einsamkeit für Gesundheit und Wohlbefinden der Betroffnenen und für die Gesellschaft, zur Entwicklung des Problems im Lebensprozess, zur regionalen Verteilung.
Sie stellte dar, dass es darauf ankommt, die Faktoren der Entstehung zu kennen, um Risikogruppen zu identifizieren: Altersarmut, Krankheit, niedriger Bildungsstand, Alleinstehende, Fehlen einer Aufgabe, fehlende Infrastruktur. Die Situation bei diesen Faktoren belegte sie mit überzeugenden Forschungsergebnissen. Interessant war auch ihre Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich diese Situation in den nächsten Jahren verändern wird - welche Gefahren werden geringer, was wird zunehmen. Da war eine gute Anregung für die folgende Diskussion.
Präsentation Frau Kiziak
PDF-Datei (848 kB), September 2020
Was können Kommunen entwickeln und umsetzen?
Eva Gehltomholt erläuterte aus der Sicht der Erfahrungen der Fachstelle für Altern und Pflege im Quartier die Rolle der Kommunen bei diesem Thema. Sie gliederte ihren Vortrag nach 4 Gesichtspunkten.
Einsamkeit - ein Thema für Kommunen? Sie ging aus von den Bedürfnissen, die die Älteren in ihren Sozialraum und welche Verantwortung Kommunen für deren Umsetzung haben. Gleichzeitig machte sie aber auch auf Hindernisse aufmerksam. Sie leitet ab, wie der Prozeß in einer Kommune erfolgreich verlaufen kann, wie man vom Gefühl zur Diskussion und dann vor allem zur Strategiebildung und - umsetzung kommen kann.
Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, von Erfahrungen anderer zu profitieren, denn die Probleme sind nicht nur in Brandenburg aktuell. Als ein überzeugendes Beispiel mit überraschenden Denkansätzen präsentierte sie ein Video aus der dänischen Stadt Aarhus, die sich aktiv diesem Thema gestellt hat.
Im Anschluss daran berichtete Frau Gehltomholt von vielen Initiativen im Land, die sich mit diesem Problem beschäftigen. So z.B. Gemeinschaftliche Wohnprojekte wie KONVOI e.V, die Altenhöfe und Wohn- und Pflege-WGs, von denen es immer mehr iin Brandenburg gibt sowie die vielen kleinen Projekte, die auch im Rahmen der Förderaufrufe von FAPIQ zum Thema "Gut leben im vertrauten Umfeld" öffentlich werden. Sie organisieren Treffs, Nachbarschaftsaktivitäten und Beteiligungsprozesse und tregen so vor Ort zu mehr Gemeinsamkeit bei. Hier gibt es bereits einen Fundus von guten Beispielen, der gut nutzbar ist für andere.
Wer ist eigentlich die Kommune - mit dieser Frage endete ihr Vortrag. Wir sind es alle, wir können alle etwas dazu tun, dass mehr Gemeinsamkeit entsteht und Einsamkeit verhindert werden kann.
Präsentation Eva Gehltomholt FAPIQ
PDF-Datei (1 MB), September 2020
Diskussionsforen am Nachmittag
Forum I
Bauen gegen Einsamkeit ?
Moderiert durch Beate von Zahn von FAPIQ ging man im ersten Forum der Frage nach, wie durch Akteure der Wohnungswirtschaft und der Kommunen die Voraussetzungen geschaffen werden für mehr Gemeinsamkeit im Leben älterer Menschen. Als der Architekt Prof. Winkens auf dem 6. Wohntag zum Thema "Zukunftsblick Babyboomer - wie wohnt die Generation der Vielen?" das Konzept Clusterwohnen ansprach, traf das auf große Aufmerksamkeit. Deshalb hatten wir Frau Prof. Susanne Rexroth von der HTW Hochschule für Technik und Wirtschaft
Berlin eingeladen, im Forum 1 vorzustellen, was hinter diesem Konzept steckt und welche Effekte das hinsichtlich unseres Themas haben könnte. Das stieß auf großes Interesse. Genauso spannend war der Ansatz, den die BTU Cottbus-Senftenberg gegangen ist, als sie mit ihrem Projekt "Wie wird man Altersfreundliche Gemeinde?" auf Kommunen im ländlichen Raum, konkret im Landkreis Elbe-Elster, zuging. Gemeinsam präsentierten dann auch Barbara Ejauz und Lisa Barowski von der BTU und Silvia Jahnke aus der Verbandsgemeinde Bad Liebenwerda ihr Vorgehen und ihre Ergebnisse. Es ist einiges in Bewegung gekommen in den beteiligten Kommunen, das wurde überzeugend sichtbar.
In der lebhaften Diksussion stellten die Teilnehmer*innen des Forums in Form einer Blume zusammen, welche Facetten alle notwendig sind, um dieses Thema umzusetzen.
Präsentation Prof. Dr. Susanne Rexroth
PDF-Datei (848 kB), September 2020
Präsentation BTU
PDF-Datei (1 MB), September 2020
Forum II
Engagement für Gemeinsamkeit
Auch die zwei Projekte, die sich in diesem Forum vorstellten, wollten viele kennenlernen. Insbesondere von dem ersten hatte man schon viel gehört - das "Silbernetz". Die Initiatorin
und 1. Vorsitzende von Silbernetz e.V. Frau Elke Schilling stellte ihr Engagement von der Entstehung bis zu seiner aktuellen Weiterentwicklung in der Corona-Zeit unter dem Titel "Silbernetz
in Theorie und Praxis – das dreistufige Gesprächsangebot für ältere vereinsamte
Menschen“ vor. Die Idee ist simpel - die Gesprächsbereitschaft von Menschen zu nutzen, um für Ältere am Telefon da zu sein und so Einsamkeit zu verringern. Aber die Umsetzung ist eine große Herausforderung. Es braucht vor allem Vertrauen in eine Organisation, eine gute Moderation und die fundierte Ausbildung der Mitarbeiter*innen. Frau Schilling ist es gelungen, mit ihrem Verein eine überzeugende Struktur aufzubauen und weiterzuentwickeln, viele Menschen zum Mitmachen zu gewinnen und auch Geldgeber zu finden. Seit der Zeit des Lockdows ist die Nummer des Silbernetzes in ganz Deutschland bekannt geworden.
Die zweite im Bunde war Frau Mandy Schubert vom Studentenwerk Potsdam, die unter dem Titel "Geben. Nehmen. Leben.“ ihre Initiative vorstellte. Auch die Idee in ihrem Projekt "Wohnen für Hilfe", das es in einigen westlichen Universitätstädten seit langem gibt, ist eigentlich simpel. Jemand, der eine große Wohnung hat, die er als Einzelner gar nicht nutzen kann, aber nicht umziehen will, stellt Wohnraum Studenten zur Verfügung, die nicht genug Geld für teure Mieten haben bzw. überhaupt keinen finden in Potsdam. Und zwar nur gegen die Zahlung von Betriebskosten und gegen vereinbarte Hilfeleistung - ob beim Einkaufen, im Haushalt und Garten oder aber ganz anders - beim Aufpassen aufs Baby oder den Hund, beim Lernen einer Sprache, beim gemeinsamen Spielen. Die Ideen der jungen Leute sind vielfältig, noch steht das Projekt erst am Anfang in Potsdam. Es hat Potenziale im Kampf gegen die Einsamkeit, aber auch hier ist die Umsetzung die Herausforderung. Es ist gut, dass das Studentenwerk eine Stelle zum Aufbau und zur Begleitung der Wohnpartnerschaften finanziert. Das ist ein deutliches Signal.
Unter Führung der Moderatorin Beate
Lisofsky von der Akademie 2. Lebenshälfte trugen die Teilnehmer*nnen des Forums schnell wesentliche Faktoren für gelingendes Engagement in diesem Bereich zusammen.
Präsentation Elke Schilling
PDF-Datei (1 MB), September 2020
Präsentation Mandy Schubert
PDF-Datei (1 MB), September 2020
Forum III
Eigenverantwortung für ein Alter in Gemeinsamkeit
Hier nahm Eva Gehltomholt von FAPIQ die Moderation in die Hand. Jeder weiß, dass der Einzelne selber für sein Leben verantwortlich ist und auch frühzeitig Einsamkeit im Alter vorbeugen kann. Und trotzdem braucht es immer wieder Anstöße, Kümmerer, Strukturen, die ermutigen, ermöglichen und stärken. Zwei solcher Initiativen waren in diesem Forum zu Gast.
Frau Mandy Fuhrmann, geboren im Elbe-Elster-Kreis und beruflich aktiv bei der Entwicklung und Umsetzung eines gemeinschaftlichen Wohnprojektes in Nürnberg, hatte die Idee, dieses Herangehen auch in ihrer Heimat, in Uebigau-Wahrenbrück, umzusetzen. Sie berichtete über "Das erfolgreiche Projekt „Anders wohnen“ in Nürnberg und der Plan für eine
ähnliche Initiative in Uebigau (Elbe-Elster). Sie erlebt hier Begeisterung, Neugierde, Interesse auf der einen Seite, aber auch viel Skepsis und Hemmnisse aller Art.
Herr Thomas Hartmann berichtete von seinem Bemühen, in Kirchengemeinden
aus Teltow-Fläming das Thema der eigenen Verantwortung für das Leben im hohen Alter bewusst zu machen und sich frühzeitig selbst auf den Weg zu begeben. Unter der Überschrift " Mit 66 Jahren - wie ich wohnen wil" lud er Mitglieder seiner Gemeinde ein, stellte erfolgreiche Projekte vor und forderte zur Diskussion. Ein erster Schritt, dem viele weitere folgen müssen. Ein Wohnprojekt aufzubauen ist eine langwierige Angelegenheit mit vielen Voraussetzungen. Faktoren des Gelingens wurden von den Teilnehmer*innen des Forums schnell zusammengetragen. Und man war sich einig in diesem Forum - die Aufgabe selbst kann zum Jungbrunnen werden und lohnt sich!
Präsentation Mandy Fuhrmann
PDF-Datei (1 MB), September 2020
Zusammenfassung und Ausblick
Nach der Kaffeepause trafen sich alle nochmal im Forum. Noch immer war der Saal gut gefüllt. Viele waren interessiert, die Ergebnisse der anderen Gruppe zu hören. Die Moderatoren stellten die gemeinsam erarbeiteten Poster vor, bei denen es immer wieder Gemeinsamkeiten gab.Insgesamt, das zeigt auch die Auswertung der Evaluationsbögen, ist das Thema den Vertreter*innen von Seniorenbeiräten, Kommunen, Initiativen und sozialen Einrichtungen sehr wichtig. Aus fast allen Landkreisen waren auch an diesem Wohntag Interessent*innen gekommen. Angefüllt mit Anregungen, neuen Ideen und Kontakten gehen sie aus der Veranstaltung in ihre tägliche Praxis.